Erinnerungen an Avital Ben-Chorin
von WBR-Redaktion am 24. Februar 2023
„Wir sind nicht schuldig, was damals Schreckliches in unserer Geschichte passiert ist, aber wir sind verantwortlich, das so etwas nicht wieder passieren darf“.
Das sagte Avital Ben-Chorin, als sie 2010 das Wartburg-Radio besuchte und mit jungen Menschen ins Gespräch über jüdisches Leben in Eisenach kam.
Eisenachs Ehrenbürgerin Avital Ben-Chorin wäre am Samstag, dem 25. Februar 2023 genau 100 Jahre alt geworden. Diesem Tag widmet das Radio-Team eine Sondersendung.
Am Samstag, 25. 2. um 15 Uhr haben wir Ausschnitte, Gedanken und O-Töne aus Gesprächen mit Avital Ben-Chorin zusammengestellt – viele „Erinnerungen an Avital Ben-Chorin“.
Avital Ben-Chorin wurde 1923 als Erika Fackenheim, als einziges Kind von Alfred und Herta Fackenheim, geboren. Ihre Eltern wurden 1944 in Auschwitz ermordet. Ihr Großvater, der Arzt Dr. Julius Fackenheim, kam mit fast 80 Jahren in Theresienstadt ums Leben. Als Jugendliche, fast noch als Kind, flüchtete Erika ins damalige Palästina, ganz allein, in eine neue, unbekannte Welt.
Im Jahr 2010 führten wir hier im Wartburg-Radio das Geschichtsprojekt Zeitensprünge durch. Josefine Steingräber (damals 12), Fabian Radtke (damals 14), Katharina Aschmetat, ehemals Büchner (damals 12), Alexander Scholz (damals 14) und Daniel Hörschemann (damals 13) erforschen gemeinsam mit Medienpädagogin Franziska Klemm die Geschichte der jüdischen Menschen, die einst in Eisenach lebten. Junge Menschen, die selbst kaum älter waren, als Avital Ben-Chorin, die damals allein in ein anderes Land flüchtete, um zu überleben.
Damit wollten die jungen Radiomachenden verhindern, dass dieser wichtige Teil der Geschichte in Vergessenheit gerät:
„Denn Zeitzeugen leben irgendwann nicht mehr, deswegen müssen wir uns so lange es noch geht mit Ihnen austauschen“, erzählte Zeitenspringer Daniel Hörschelmann damals.
In diesem Projekt stieß die Gruppe mit Hilfe von Historiker Dr. Reinhold Brunner aus Eisenach auf die Geschichte und das Leben von Erika Fackenheim – später Avital Ben-Chorin. Die RadiomacherInnen durften mit ihr telefonieren und ein Interview aufzeichnen und senden.
„Es war unfassbar beeindruckend“, berichtet Franziska Klemm vom Radio, „Im November 2010 besuchte uns Avital das erste Mal im Radiostudio. Wir konnten von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen und uns austauschen. Ich durfte damals dieses Projekt leiten und unterstützen – für mich war es eine prägende Begegnung die mich tief bewegt und bis heute beeindruckt hat“.
Ein ganz besonderer Moment war es, als ihr am 11. August 2012 in Eisenach die Ehrenbürgerwürde verliehen wurde. Sie war die erste nach fast 50 Jahren, der diese Ehre zuteil wurde. Damals besuchte sie noch einmal das Wartburg-Radio und Daniel Hörschelmann sprach mit ihr über die Unterschiede zwischen Israel und Deutschland sowie den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen. 2013 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Avital Ben-Chorin verstarb am 6. Oktober 2017 in Haifa. Ihr Grab findet sich in Jerusalem, ein Teil ihres Nachlasses befindet sich im Eisenacher Stadtarchiv.
In der Sondersendung „Erinnerungen an Avital Ben-Chorin“ finden sich O-Töne und Ausschnitte von Aufzeichnungen mit ihr im Wartburg-Radio, vermischt mit Informationen und Erinnerungen.
„Wir hören in Gespräche hinein, in denen Avital Ben-Chorin ihre Geschichte erzählte und aufzeigte, wie sie sich aktiv für die Versöhnung und die Partnerschaft von Israelis und Deutschen, von Juden und Christen einsetzte“, verrät Franziska Klemm vom Wartburg-Radio, die die Sendung zusammengestellt hat, „Sie war eine Vermittlerin zwischen den Generationen, den Religionen und den Menschen“.
Die Sendung kann außerdem eine Woche lang in der Audiothek nachgehört werden.
Text und Sendung: Franziska Klemm